Berlin/Freiburg/Dortmund, 20. November 2020. Am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen machen der Deutsche Caritasverband (DCV), der katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) auf Frauen und Mädchen aufmerksam, die weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung über sich ergehen lassen mussten. Die Frauen leiden ein Leben lang unter den körperlichen und psychischen Folgen dieses Eingriffs.
Caritas-Beratungsfachdienste sind zunehmend mit dem Thema konfrontiert
„Bei Genitalverstümmelung handelt es sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung“, erklärt Eva Maria Welskop-Deffaa, Vorstand Fach- und Sozialpolitik des Deutschen Caritasverbandes. „Das ist nicht nur in den Herkunftsländern ein Tabu, sondern auch in Deutschland. Zunehmend sind hierzulande medizinische und sozialpädagogische Fachkräfte mit den Nöten betroffener Frauen konfrontiert. Um den Frauen fachgerecht und sensibel helfen zu können, brauchen sie Qualifizierung und Unterstützung.“
Prävention und Aufklärung notwendig
Um gefährdete Mädchen zu schützen, sollte in Schulen und Angeboten der Jugend- und Familienhilfe eine Auseinandersetzung mit dem Thema gefördert und Beratungsangebote ausgebaut werden. „Eltern müssen früh angesprochen werden, zum Beispiel in den Frühen Hilfen. Über Hebammen, Gynäkolog_innen und Kinderärzt_innen werden nahezu alle Schwangeren und jungen Familien – auch Familien mit Migrations- oder Fluchtgeschichte – erreicht. Alle in diesem Feld Tätigen müssen über weibliche Genitalverstümmelung Bescheid wissen und mit potenziell betroffenen Eltern sensibel dazu ins Gespräch kommen“, fordert Hildegard Eckert, Bundesvorsitzende des SkF.
Genitalbeschneidung ist ein geschlechtsspezifischer Asylgrund
Genitalverstümmelung muss konsequent als geschlechtsspezifischer Asylgrund anerkannt werden. Das gilt sowohl bei bereits durchgeführten als auch bei drohenden Eingriffen nach Rückkehr ins Herkunftsland. Damit betroffene Frauen Schutz erhalten, müssen die Mitarbeitenden im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das Thema ausreichend sensibilisiert bzw. geschult sein. Denn Genitalverstümmelung ist komplex: Beschneidungsalter, konkrete Durchführung und damit verknüpfte Erklärungsmuster unterscheiden sich nicht nur zwischen Ländern, sondern zum Teil von Ort zu Ort. „Wenn Frauen in der Anhörung von Genitalverstümmelung berichten, bewerten viele Anhörer_innen ihren Bericht vorschnell als unglaubhaft“, erklärt Beate Gilles, Vorsitzende von IN VIA Deutschland. „Das darf nicht passieren. Nötig bei diesem stark tabuisierten Thema ist die Befragung durch weibliches Personal und sensibles Nachfragen zum möglichen Vorliegen geschlechtsbezogener Gewalt. Auch, weil die meisten Frauen selbst gar nicht wissen, dass Genitalverstümmelung im Asylverfahren relevant ist.“
Fachtag und Erklärfilm
Der Deutsche Caritasverband und seine Fachverbände IN VIA und SkF veranstalten am 0.12.2020 einen digitalen Fachtag zu Female Genital Mutilation_Cutting (FGM_C) und haben einen Erklärfilm für Beratungsfachkräfte produziert.
Hintergrund
Weltweit sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 200 Millionen Frauen betroffen. Durchgeführt wird Genitalverstümmelung überwiegend in einigen Regionen Afrikas, aber auch in einigen Ländern des Nahen Ostens und Asiens. Mit der Einwanderung von Frauen aus diesen Ländern steigen die Zahlen in Deutschland. Nach einer Erhebung des BMFSFJ wird von bis zu 67.000 betroffenen Frauen und Mädchen und bis zu 14.000 gefährdeten Mädchen ausgegangen. Folgen von Genitalverstümmelung sind Einschränkungen im Alltag, Schmerzen beim Leben ihrer Sexualität und Schwierigkeiten bei Schwangerschaft und Geburt. Hinzu kommen psychische Beeinträchtigungen oder Depressionen aufgrund der erlittenen Traumata. Jedes 10. Mädchen überlebt den Eingriff nicht. Rund ein Viertel der Frauen stirbt an den Langzeitfolgen.
Weitere Hintergrundinformationen und Kurzfilm unter: https://www.caritas.de/fgm_c
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