Wer wählt warum die AfD?
Eine Analyse der Daten zu den Landtagswahlen 2017
Für alle drei Landtagswahlen des Jahres 2017 stimmt die frühere Erkenntnis nicht mehr, dass Rechtsaußenparteien vor allem von jüngeren Wählern gewählt werden. Armin Pfahl-Traughber analysiert, wer der AfD im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW seine Stimme gab.
Wer wählt warum die AfD? Eine Antwort auf die Frage gibt der Blick auf die Daten zu den Landtagswahlen 2017 (Quelle: infratest dimap). Dabei konnte die Partei jeweils Ergebnisse von über fünf Prozent verbuchen. Am 26. März waren es 6,2 Prozent der Stimmen (32.935 Wähler) im Saarland, am 7. Mai 5,9 Prozent der Zweitstimmen (86.275 Wähler) in Schleswig-Holstein und am 14. Mai 7,4 Prozent der Zweitstimmen (624.552 Wähler) in Nordrhein-Westfalen. Durch die vergleichende Betrachtung der drei Wahlen lässt sich ein aktuelles Sozialprofil der Wählerschaft ermitteln. Allerdings gilt dies nur eingeschränkt für die westlichen Länder und den gegenwärtigen Zeitpunkt. Denn 2016 konnte die AfD noch bedeutend höhere Gewinne von regelmäßig über 10 Prozent und in Ostdeutschland von über 20 Prozent verbuchen. In Mecklenburg-Vorpommern waren es 20,8 und in Sachsen-Anhalt 24,3 Prozent, aber auch in Baden-Württemberg 15,1, in Berlin 14,2 und in Rheinland-Pfalz 12,6 Prozent der Stimmen. Demnach beziehen sich die Angaben auf eine Phase des Wählerrückgangs.
Als erstes sei der Blick auf das Geschlechterverhältnis geworfen, wobei ein einheitliches Bild besteht: Die Frauen sind unter-, die Männer überrepräsentiert. Das Verhältnis war im Saarland fünf zu acht, in Schleswig-Holstein vier zu sieben und in Nordrhein-Westfalen fünf zu neun. Dabei handelt es sich um eine Besonderheit von „Rechtsparteien“ – bei allen anderen Parteien ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener. Bezogen auf das Alter fällt demgegenüber auf, dass die früher bestehende Erkenntnis: „Je jünger, desto höhere Anteile von Wählerstimmen für Rechtsaußenparteien“ nicht mehr stimmt. Bei allen drei Landtagswahlen des Jahres 2017 war die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen und der 35- bis 44 Jährigen am stärksten bei den Wählern präsent: im Saarland mit sieben bzw. sechs, in Schleswig-Holstein mit neun bzw. sieben und in Nordrhein-Westfalen mit zehn bzw. neun Prozent. Die bis 24-Jährigen und die über 60-Jährigen stimmten demgegenüber nur unterdurchschnittlich für die AfD: im Saarland sechs bzw. vier, in Schleswig-Holstein fünf bzw. vier und in Nordrhein-Westfalen sechs bzw. fünf Prozent.
Was die Bildungsabschlüsse betrifft, so kann schon länger nicht mehr davon gesprochen werden, dass bei den Wählern von „Rechtsparteien“ niedrige Bildung automatisch mit höherer Wahlzustimmung korreliert. Meist sind die mittel Gebildeten die größte, dafür aber die höher Gebildeten die niedrigste Wählergruppe. Dies macht auch der Blick auf die Ergebnisse der genannten Landtagswahlen deutlich. Eine Ausnahme ist dabei das Saarland, wo vier Prozent mit hoher, sieben Prozent mit mittlerer und acht Prozent mit niedriger Schulbildung für die AfD votierten. In Schleswig-Holstein stimmten fünf Prozent der hoch und jeweils sechs Prozent der mittel und niedrig Gebildeten und in Nordrhein-Westfalen sechs Prozent der hoch, neun Prozent der mittel und sieben Prozent der niedrig Gebildeten für die Partei. Die Daten liegen hier dichter zusammen als bei früheren Wahlen. Auch ist der Abstand der höher Gebildeten keineswegs mehr so groß zu den mittel und niedrig Gebildeten. Hier deutet sich eine Annäherung an, die Ansätze zu einer „Normalisierung“ des Wählerverhaltens vermuten lässt.
Interessant sind auch die Angaben zur Berufstätigkeit. Die beiden größten Wählergruppen der AfD sind die Arbeiter und die Arbeitslosen: Im Saarland waren es neun bzw. sieben, in Schleswig-Holstein acht bzw. neun und in Nordrhein-Westfalen 17 bzw. zwölf Prozent der Stimmen. Damit einhergehende Besonderheiten sind offenkundig, dürfen aber nicht zu monokausalen Deutungen führen: Denn weit über achtzig Prozent der Arbeiter und Arbeitslosen wählten demnach nicht die AfD. Angesichts der Angaben zum Alter kann nicht verwundern, dass Rentner unterdurchschnittlich für die Partei votierten. Gleiches gilt für Beamte. Diese wählten die Partei im Saarland mit sechs bzw. fünf, in Schleswig Holstein mit fünf bzw. vier und in Nordrhein-Westfalen mit drei bzw. fünf Prozent. Im Durchschnitt lagen die Angestellten und Selbstständigen im Saarland mit sechs bzw. sieben, in Schleswig-Holstein mit sieben bzw. sechs, aber nicht in Nordrhein-Westfalen mit acht bzw. vier Prozent.
Bezüglich der konfessionellen Bindung gilt für „Rechtsaußenparteien“, dass sie eher von Konfessionslosen gewählt werden. Bei den konfessionsgebundenen Wählern sind Katholiken und Protestanten gleichrangig vertreten. Dies war bei den Landtagswahlen 2017 nicht immer der Fall: im Saarland aber durchaus, wo 5,2 Prozent der katholischen und 4,9 Prozent der evangelischen Wähler, aber 8,5 Prozent der Konfessionslosen für die Partei votierten. In Schleswig-Holstein verhielt es sich indessen so, dass 8,4 Prozent der Katholiken, 5,1 Prozent der Protestanten und 7,9 Prozent der Konfessionslosen ihr Kreuz bei der AfD machten. In Nordrhein-Westfalen stimmten 6,1 Prozent der Katholiken, aber 8,7 Prozent der Protestanten und 9,4 Prozent der Konfessionslosen für die Partei. Der bedeutende Anteil unter den Konfessionslosen ist somit keine ostdeutsche Besonderheit. Ein anderer interessanter Aspekt bezieht sich auf Gewerkschaftsmitglieder. Diese wählten immer leicht stärker AfD als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder: im Saarland 6,7 zu 6,1 Prozent, in Schleswig-Holstein 5,4 zu 5,3 Prozent und in Nordrhein-Westfalen 8,6 zu 7,1 Prozent.
Beachtenswert ist auch die ‚politische‘ Herkunft der Wählerschaft: Der größte Anteil kam im Saarland mit 8.000 von früheren Nichtwählern. Auch jeweils 4.000 ehemalige Anhänger der CDU und der Partei „Die Linke“ stimmten für die AfD. Die SPD verlor 3.000 Wähler an sie. Von der „Grünen“-Wählerschaft hingegen wechselten nur wenige zu der Partei. In Schleswig-Holstein wählten 11.000 ehemalige Nichtwähler die AfD. 45.000 hatten zuvor andere Kleinparteien gewählt. Hier dürfte es sich hauptsächlich um frühere „Piraten“-Stimmen gehandelt haben, hat diese Partei doch erheblich an Wählerstimmen verloren. Ansonsten erhielt die AfD in Schleswig-Holstein 11.000 Wähler von der CDU, 5.000 von der SPD, 3.000 von der SPD und 1.000 von den „Grünen“. In Nordrhein-Westfalen kamen 120.000 von früheren Nichtwählern und 300.000 von anderen Kleinparteien, wobei es sich ebenfalls um frühere „Piraten“-Wähler gehandelt haben dürfte. Ansonsten erhielt die AfD 60.000 Wähler von der SPD, 50.000 von der CDU, 30.000 von der FDP und jeweils 10.000 von den „Grünen“ und „Die Linke“.
Beachtenswert für die Analyse der Motive, nach denen die Wähler sich für die AfD entschieden haben, sind auch diverse Selbsteinschätzungen der Wähler. Im Saarland meinten 42 Prozent der Parteianhänger, sie hätten in ihrem Leben weniger als ihnen zustünde (Alle: 23 Prozent). Hinsichtlich der eigenen wirtschaftlichen Lage gehörten in Schleswig-Holstein fünf Prozent zu den Zufriedenen und neun Prozent zu den Unzufriedenen, in Nordrhein-Westfalen sechs Prozent zu den Zufriedenen und vier Prozent zu den Unzufriedenen. Es lassen sich also hier Auffälligkeiten feststellen. Derart negative Eindrücke und Gefühle führen offenkundig stärker zu einer Wahl der AfD. Indessen gilt für die erstgenannte Angabe, also die eigene wirtschaftliche Situation, dass sie doch unter der Hälfte liegt und die Unterschiede von den Unzufriedenen und Zufriedenen keineswegs besonders hoch sind. Allein daraus lässt sich demnach keine Entscheidung zugunsten der Partei bei den Wählern herleiten. Es muss noch andere Gesichtspunkte geben, die bislang noch nicht genügend Interesse gefunden haben.
Dazu gehören in erster Linie die politischen und sozialen Einstellungen: Diverse Studien haben deutlich gemacht, dass die AfD-Wähler in vielen Fragen weit rechts von der Durchschnittsmeinung in der Gesellschaft stehen. So haben etwa die Befragungen zu „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, die sicherlich hinsichtlich mancher Items kritisch gesehen werden müssen, in der Gesamtschau in diesem Wählerbereich gezeigt, dass hierzu die höchsten Zustimmungswerte auszumachen waren. Einschlägige Einstellungen kann die Partei dann gut mobilisieren, wenn bestimmte Themen die öffentliche Wahrnehmung dominieren. Dazu gehört allen voran aktuell die „Flüchtlingsfrage“. Bei den Abstimmungen im Saarland und Schleswig-Holstein spielte sie nur eine geringe, bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine größere Rolle. Entsprechend verhielt es sich auch bei den Wahlergebnissen. Bislang ist die Forschung allerdings Zusammenhang von „Einstellungen“ und „Protestverhalten“ mit einer Wahlentscheidung für die AfD noch nicht genauer nachgegangen.
Abschließend soll hier noch eingeschätzt werden, was die vorstehenden Erkenntnisse für die Perspektiven der Partei bedeuten. Es lässt sich zunächst ein Rückgang der Zustimmungswerte konstatieren. Die AfD konnte ihren Höhenflug aus dem Vorjahr nicht fortsetzen und sich auch nicht auf einer Ebene von über 10 Prozent der Stimmen stabilisieren. Gleichwohl gelang es ihr, jeweils eindeutig mit mehr als fünf Prozent in die Landtage einzuziehen. Dies geschah auch während eines Bedeutungsverlustes „ihres“ hauptsächlichen „Migrations“-Themas in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch führten die absonderlich bis heftig zu bezeichnenden innerparteilichen Konflikte nicht zu einem erkennbaren Rückgang der Wählerstimmen. Damit spricht einiges für eine Etablierung als Wahlpartei, die bundesweit gegenwärtig wie längerfristig mit zwischen fünf und zehn Prozent der Stimmen rechnen kann. Die Anteile in den östlichen Bundesländern sind dabei erkennbar höher als in den westlichen Bundesländern. Gerade auch ihr Bestehen in den westlichen Bundesländern spricht aber für eine Stabilisierung.
Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/
Autor: Armin Pfahl-Traughber für bpb.de
Autor: Armin Pfahl-Traughber für bpb.de
Dringend gesucht: Kinderwagen (Babywagen) und Babybadewannen.
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Das Team der Kleiderkammer
kleiderkammer@fluechtlingshilfe- waltrop.de
Dortmund will Einsatz muttersprachlicher Familienbegleiterinnen verlängern
Dortmund (idr). Der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund will das Programm der muttersprachlichen Familienbegleiterinnen für weitere fünf Jahre fortsetzen. Dafür sollen jährlich 228.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Der Rat muss in seiner Sitzung am 13. Juli über den Vorschlag entscheiden.
Träger des Programms, das seit 2014 läuft, sind Diakonisches Werk Dortmund und Lünen, Caritasverband Dortmund, GrünBau gGmbH und Soziales Zentrum in Zusammenarbeit mit den Jugendhilfediensten. Bislang hat das Land NRW den Einsatz der Familienbegleiterinnen gefördert.
Die Familienbegleiterinnen unterstützen die Jugendhilfedienste bei der Integration von Familien aus Südosteuropa. Sie sollen sprachliche und kulturelle Hemmungen sowie Schwellenängste gegenüber Behörden abbauen, bei der Vermittlung von gesellschaftlichen Werten und Normen helfen und Zugänge zum Bildungssystem öffnen.
Zwei Millionen Jahre Migration

Sonderausstellung im Neanderthal Museum geht noch bis zum 5. November 2017
Die aktuelle Einwanderung von Menschen aus Afrika und Westasien nach Europa löst um- fassende Debatten aus und wird die europäischen Gesellschaften über Jahre hinaus begleiten.
Die Ausstellung verdeutlicht mit einem Blick in unsere früheste menschliche Entwick- lungsgeschichte, dass Mobilität und Migration selbstverständliche Bestandteile des Menschseins und kein modernes Phänomen sind. Menschen waren zu allen Zeiten mobil. Auf der Suche nach Nahrung, Wasser und anderen Ressourcen haben sie sich stets so- wohl kleinräumig bewegt als auch andere Regionen und Kontinente besiedelt. Die Aus- stellung präsentiert unsere unterschiedlichen Wurzeln aus Afrika und Westasien. Men- schen sind in Afrika entstanden. Vertreter von Homo erectus und später anatomisch mo- derne Menschen kamen aus Afrika nach Asien und Europa und haben sich von dort aus- gebreitet. Vor erst 7000 Jahren wanderten Ackerbauern und Viehzüchter aus der heuti- gen Türkei nach Europa ein. Sie vermischten sich mit der hier ansässigen Bevölkerung. Vor 4000 Jahren wanderten Menschen aus den östlichen Steppen Richtung Westen und es kam erneut zu einer Vermischung und zum Kulturaustausch.
Verpackt in ein ungewöhnliches Design lädt die Ausstellung die Besucher ein zu ergründen, welche Ursachen, Mechanismen und Auswirkungen hinter dem Phänomen der Mig- ration standen und stehen und dass wir alle ein Teil davon sind.
Seit 2009 erforscht ein Team aus 70 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in dem Sonderforschungsbereich 806 „Our way to Europe“ an der Universität Köln die Ausbrei- tung der anatomisch modernen Menschen von Afrika aus nach Europa. Ausgelöst durch die aktuelle politische Situation wurde der Entschluss gefasst, eine Brücke zu schlagen zwischen Eiszeit und Moderne und die Chance zu nutzen, die Aktualität archäologischer Forschung für heutige gesellschaftliche Herausforderungen deutlich zu machen.
Die Ausstellung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Stiftung Merca- tor gefördert. Sie entsteht in Kooperation zwischen dem Neanderthal Museum, der Uni- versität zu Köln, dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte Jena und der Hei- delberger Akademie der Wissenschaften.
Sie wird konzipiert und realisiert in Zusammenarbeit mit den Firmen Blank Ausstellungs- bau, Düsseldorf, Studio KQ, Dortmund und Gellwitzki, Hilden
Weiter Informationen: Neanderthal Museum Informationen als PDF
NEANDERTHAL MUSEUM
Talstr. 300 · 40822 Mettmann · neanderthal.de
Buchungsteam
Tel 0 21 04. 97 97 – 15 · Fax 0 21 04. 97 97 – 24 buchung@neanderthal.de
Allgemeine Informationen
Tel 0 21 04. 97 97 – 0 · Fax 0 21 04. 97 97 – 96 museum@neanderthal.de
Öffnungszeiten
Di – So 10.00 – 18.00 Uhr
auch am Tag der Deutschen Einheit geöffnet
Folgen der fehlerhaften BAMF-Entscheidungen gehen auf Kosten der Flüchtlinge und der Bundesländer
Forderungen von PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW zur Innenministerkonferenz in Dresden
Die Konferenz der Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern (IMK) tagt ab Montag in Dresden. PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW beziehen Position:
- Die Länder müssen gegen die fehlerträchtige Entscheidungshektik des BAMF Position beziehen. Ab- gelehnte Afghanistan-Fälle müssen revidiert und neu bearbeitet werden.
- Die vorübergehende Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan ist angesichts der katastro- phalen Lage nicht ausreichend. PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW appellieren an die Bundesländer, sich auf einen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan zu verständigen.
- Nach der geplanten Dublin-IV-Reform sollen ohne jede zeitliche Befristung Abschiebungen in EU- Staaten z.B. wie Bulgarien, Griechenland oder Ungarn vollzogen werden. PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW warnen entschieden vor solch einer Reform.
1. Folgen der fehlerhaften BAMF-Entscheidungen gehen auf Kosten der Flüchtlinge und der Bundesländer
PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW appellieren an die Bundesländer, sich eindeutig gegen die Überlastung der Verwaltungsgerichte durch das BAMF zu stellen. Allein im ersten Quartal 2017 gingen bundesweit rund 97.000 Klagen gegen Asylbescheide ein. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2016 waren es 181.600 Klagen. Die qualitativ schlechte Entscheidungspraxis des Bundesamtes führt zur Überlastung der Justiz. Die Kosten für teure Richterstellen tragen die Länder.
PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW gehen davon aus, dass in tausenden von Fällen die Qualitätsmängel zur Ablehnung geführt haben. Im Jahr 2017 wurden bis Mai rund 146.000 Asylanträge abgelehnt, im Jahr 2016 rund 174.000. Bei AfghanInnen gab es 2016 rund 25.000 Ablehnungen, 2017 bis Mai waren es mehr als 42.000. Sämtliche Afghanistan-Ablehnungen basieren auf veralteten Informationen zur Lage. Zudem wird Schutzsuchenden vorgehalten, es gebe sichere Gebiete, in die sie gehen könnten. PRO ASYL und Flüchtlings- rat NRW kritisieren dies als reine Spekulation. Neben Afghanistan gehen auch die Ablehnungszahlen für Ira- kerInnen in die Höhe. Von den 44.620 Entscheidungen zwischen Januar und Mai 2017 wurden 16.234 abge- lehnt (36,4 %).
Mit der Verlagerung der Probleme auf die Justiz und einer Aufstockung der Richterstellen wird das Problem nicht zu lösen sein. Im Asylrecht qualifizierte RichterInnen sind Mangelware. Es ist Aufgabe des Bundesamtes, sich selbst so zu organisieren, dass Verfolgungsgründe dort festgestellt werden können. Wer glaubt, diese Massenablehnungen würden in absehbarer Zeit in Massenabschiebungen gleicher Größenordnung münden, der täuscht sich und verhindert in großem Maße die Integration vieler, die noch über eine längere Zeit in Deutschland leben werden. Nicht ohne Grund gab es in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder Bleiberechtsregelungen.
Die Bundesländer müssen sich gegenüber dem Bundesinnenministerium klar positionieren. PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW fordern, alle in 2016 und 2017 abgelehnten Anträge von AfghanInnen müssen vom BAMF revidiert und neu bearbeitet werden.
2. Keine Abschiebungen nach Afghanistan
Der Afghanistan-Bericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) für den US- Kongress vom 30. April 2017 legt den immer größer werdenden Kontrollverlust der afghanischen Streitkräfte
und den wachsenden Einfluss der Taliban offen. Im Vergleich zu Januar 2016 zum Stand vor der Frühjahrsof- fensive der Taliban gilt: Aktuell sind 11% weniger Distrikte unter Regierungskontrolle oder -einfluss, 6% mehr Distrikte umkämpft, und 5% mehr Distrikte unter Kontrolle oder Einfluss der Aufständischen (gerundete An- gaben). Der aktuelle Folter-Bericht des afghanischen UNO-Programms UNAMA aus April 2017 belegt, dass exzessive Gewalt auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten herrscht und auch diese Regionen regelmäßig nicht als sicher klassifiziert werden dürfen. Schließlich hat UNAMA Opferzahlen für das erste Quartal 2017 vorgelegt. Demnach gibt es mehr Opfer unter Frauen, Kindern und in Kabul.
In Deutschland werden bislang die internationalen Berichte über die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan nicht zur Kenntnis genommen. UNHCR hat im Dezember 2016 festgestellt, dass sich die Gesamt- sicherheitslage seit April 2016 rapide verschlechtert hat. Zwischen sicheren und unsicheren Regionen könne man »aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage« in dem Bürgerkriegsland gar nicht unterschei- den.
Aus unserer Sicht ist es Pflicht des Bundesamtes, sämtliche in 2017 erlassenen negativen Bescheide vor dem Hintergrund der aktuellen Faktenlage zu revidieren. Gerade die Ausführungen des UNHCR sind nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 12.03.2008 – 2 BvR 378/05) zwingend zu be- achten.
PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW appellieren an die Bundesländer, sich auf einen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan zu verständigen. Die vorübergehende Aussetzung von Abschiebungen ist angesichts der katastrophalen Lage nicht ausreichend. Der Beschluss der Bundesregierung lässt weiterhin viele Interpreta- tionsspielräume für weitere Abschiebungen.
Dehnbar ist zum Beispiel der Begriff der »Ausreisepflichtigen, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identi- tätsfeststellung verweigern«. Schutzsuchenden ohne Pass kann das pauschal unterstellt werden. Der Fall des afghanischen Schülers aus Nürnberg zeigt, wie umstritten die Frage oft ist, ob jemand sich tatsächlich einer Mitwirkungspflicht entzogen hat. Trotz mehrfacher Vorsprache zur Passbeschaffung bei der afghanischen Botschaft wurde dem Betroffenen mangelnde Mitwirkung vorgeworfen. Auch die Begriffe »Straftäter« und »Gefährder« sind in höchstem Masse problematisch und werden zudem höchst unterschiedlich interpretiert. Auch für sie gelten die Menschenrechte.
3. Abschiebungen in andere EU-Staaten
Nach einem Bericht des RedaktionsNetzwerks Deutschland wollen die Innenminister ohne jegliche zeitliche Befristung Schutzsuchende in andere EU-Staaten abschieben können. Der den Medien vorliegende Be- schlussvorschlag zur Innenministerkonferenz soll dies unterstützen. PRO ASYL und Flüchtlingsrat NRW war- nen entschieden vor solch einer weitreichenden Reform. Der ersatzlose Wegfall der Fristen wird dazu führen, dass Rechtlosigkeit entsteht. Angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie Ungarn und Bulgarien dürfen Überstellungen nicht vollzogen werden. Wenn die 6-Monats-Frist für Überstellungen wegfällt und eine Abschiebung in Staaten wie Ungarn, Bulgarien oder Griechenland dennoch scheitert, wer- den Asylanträge über Monate oder Jahre hinweg in keinem EU-Staat inhaltlich geprüft
werden. Die Dublin-Verordnung wird zu einer kompletten Unzuständigkeits-Regelung. So werden Integrationsperspektiven zerstört.
„Gemeinsam gegen die Hungersnot“
Berlin, 9. Juni 2017 – Mit einer Mahnwache vor dem Berliner Brandenburger Tor machte das Bündnis GEMEINSAM FÜR AFRIKA heute auf die Hungerkatastrophe vor allem in Ostafrika und Nigeria, aufmerksam. Mehr als 23 Millionen Menschen seien derzeit akut vom Hungertod bedroht, darunter hunderttausende Kinder. Angesicht dieser Dramatik rief das Bündnis am heutigen 9. Juni 2017 erneut bundesweit zu Aktionen und zu Spenden unter dem Motto „Gemeinsam gegen die Hungersnot“ auf.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wendet sich heute in einem Spendenaufruf an die deutsche Bevölkerung: „Ohne unsere Hilfe werden noch mehr Frauen, Männer und Kinder verhungern!“. In seinem Aufruf appelliert der Bundespräsident: „Unterstützen Sie die Hilfsorganisationen, die ,Gemeinsam gegen die Hungersnot` aufrufen. Mit Ihrer Spende können Sie Menschenleben retten! Mit Ihrer Hilfe können wir die Hungerkatastrophe lindern.“
Das Bündnis GEMEINSAM FÜR AFRIKA, ein Zusammenschluss von 22 deutschen Hilfsorganisationen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Steinmeier, warnt eindringlich vor der größten humanitären Katastrophe seit Gründung der Vereinten Nationen. Ohne Hilfe sei ein Massensterben unausweichlich, sorgt sich GEMEINSAM FÜR AFRIKA.
Die Hilfsorganisationen von GEMEINSAM FÜR AFRIKA leisten bereits seit Monaten in den betroffenen Regionen wichtige Soforthilfe. Sie verteilen Nahrungsmittel und Trinkwasser an Tausende Notleidende und versorgen unterernährte Säuglinge und Kleinkinder mit kalorienreicher Spezialnahrung. Sie setzen Brunnen instand, leisten medizinische Hilfe und fördern Hygienemaßnahmen, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Langfristige Hilfsmaßnahmen tragen zudem dazu bei, die Menschen besser auf Dürre vorzubereiten.
Die Ursachen der schweren Hungersnot sind vielfältig. Eine schwere Dürre, extremes Klima und anhaltende Gewalt sind maßgebliche Gründe. In manchen Regionen wie in Äthiopien oder Kenia hat es in Folge von El Niño seit mehr als drei Jahren nicht mehr geregnet. Felder und Weideland sind verdorrt, die Ernten fallen aus, es fehlt an Saatgut für den Anbau, Tausende Nutztiere verenden. In anderen Gegenden wie im Südsudan und in Somalia hindern zudem bewaffnete Konflikte und Vertreibung die Menschen daran, ihre Felder zu bestellen und ihr Vieh zu versorgen.
Zur Unterstützung der lebensrettenden Arbeit der Hilfsorganisationen ruft das Bündnis unter www.gemeinsam-für-afrika.de/spenden/ zu Spenden auf.
Mit unserem Aktionstag möchten wir die deutsche Bevölkerung zur Unterstützung mobilisieren. Über unsere Social Media-Kanäle und unsere Website sowie vielfältige Aktionen wie z.B. die Mahnwache vor dem Brandenburger Tor rufen wir zu Spenden auf.
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