Wenn man mit rund einer Viertel Million Menschen zusammen auf der Straße ist und gegen Rassismus, Hass sowie Ausgrenzung und für eine offene, demokratische und solidarische Gesellschaft demonstriert, kann man das nicht sofort erkennen, was man da gerade historisch leistet.
Als die ersten bereits an der Siegessäule ankamen machten sich die letzten vom Alexanderplatz auf den Weg. Wir mittendrin, mit 50 weiteren in einer Reihe. Knapp fünf Kilometer lang war der Demonstrationszug. Anfangs orientierten wir uns noch am 1. Block und dem #unteilbar – Lautsprecherwagen. Doch immer mehr Menschen strömten von den seitlichen Straßen und Plätzen herbei und bald konnten wir auch auf den großen und breiten Berliner Prachtboulevards weder Anfang noch Ende der Demonstration erkennen.
Rund 9.000 Einzelpersonen und Organisationen hatten zur Demo aufgerufen. Auf der Straße zeigte sich das unter anderem mit 50 Lautsprecherwagen, die die eigenen Blöcke begleiteten: Gewerkschafter, Queer, Soziales in Vielfalt, #Seebrücke zum Beispiel, aber auch SPD und Grüne waren so vertreten.
Hören konnten wir von ihnen nichts. Zu weit lagen die Wagen auseinander. Wir lauschten dagegen den „Jodlerinnen ohne Grenzen“, Trommelgruppen oder ließen uns von Gesprächen über Kunst oder Politik inspirieren, kamen mit anderen in den Dialog die zum Beispiel von unserem Transparent und unseren selbstgestylten T-Shirts begeistert waren: „Ey, wo kann man die kaufen?“, „Echt, seid ihr wirklich aus Waltrop? Da komm ich auch her.“ Mütter erklärten die Inhalte ihren Kindern und vielen FotografInnen dienten sie als Motiv. Wir sogen die beeindruckende Vielfalt, die sich da zusammengefunden hatte, in uns auf: Junge neben Alten, Punks neben Yuppies – die ganze Breite der Zivilgesellschaft war vertreten.
Und die wollten wie wir ein Zeichen setzen: Gegen die rechtspopulistische Agenda auf die Politik wie Medien zu oft schielen statt die Mehrheitsgesellschaft wahrzunehmen. Gegen die rechtsradikalen Angriffe, mit denen versucht wird eine autoritäre, prädemokratische Gesellschaft zu etablieren, gegen die Versuche uns sozial wie kulturell in die 1930iger Jahre zurückzuwerfen.
Denn längst richtet sich der rechtspopulistische Diskurs nicht nur gegen Flüchtlinge und MigrantInnen: LehrerInnen sollen denunziert und bestraft werden, wenn sie Diskriminierung benennen, RechtsanwältInnen die sich fürs Bleiberecht einsetzen werden angegriffen, Kritische JournalistInnen will man aus den Redaktionen entfernen, die Ehe für alle revidieren, Bildungseinrichtungen das Programm diktieren.
Das Zeichen war deshalb überfällig und es war mehr als eine Demonstration, wie die Veranstalter resümieren: ein Manifest gegen den Versuch einer autoritären Wende. Es ist auch nicht das Ende einer Reihe von Aktionen und/oder Demonstrationen mit jeweils vielen Tausenden und Zehntausenden, wie in München, Hamburg, Rostock und Chemnitz. Oder wie die vielen kleineren: Zeitgleich zu Berlin fanden Demonstrationen in Frankfurt, Karlsruhe und Krefeld statt. Nicht zuletzt steht unsere Demo vom 30.06.: Waltrop hat keinen Platz für Rassismus, in diesem Kontext.
Es ist ein Anfang, ein Aufbruch. Wer den Populisten auf dem Leim geht und sie kopieren will, verliert. Protektionismus und (Links-)Nationalismus sind keine Alternativen. Wir sind die Mehrheit und haben uns Gehör verschafft. Wir sind gekommen um zu bleiben. Wer eine Sammlungsbewegung sucht, hier ist sie:
#unteilbar, #wirsindmehr, #ausgehetzt, #seenotbrücke.