Dass die Debatte auch unsere Stadt erreichen würde, war absehbar. Dass sie in der Waltroper Öffentlichkeit nun damit begonnen wurde, dass man sich die damit verbundene Humanität nicht leisten kann – peinlich.
Dabei ist erstens irritierend, dass sich Kämmerer und Bürgermeisterin zu einem Beschluss des Sozialausschusses zu Wort melden, ohne dass man als interessierte Leser*in vorher darüber, inklusive entsprechender Begründung dafür, adäquat informiert wurde.
Zweitens irritiert ferner, dass sich die Verwaltungsspitze in einen politischen Willensbildungsprozess einbringt, der zunächst die originäre Aufgabe der Ausschuss- und Ratsmitglieder ist, sowie der daran beteiligten Parteien.
Dass die Begründung dann monetäre Bezüge hat, ist für den Kämmerer der Stadt zwar naheliegend, aber wieso sich unsere Bürgermeisterin mit den Worten zitieren lässt:
Selbstverständlich
„wolle niemand, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken – das sei auch gänzlich unvereinbar mit ihrem christlichen Selbstverständnis. So steht es auch im „Palermo-Appell“ […] aber, es gebe keine „Hintertür“, was die Frage der Finanzierung zusätzlicher Flüchtlinge angeht“,
nicht nachvollziehbar. Denn in der vom Evangelischen Kirchenkreis eingebrachten Beschlussvorgabe heißt es:
„Die Kommunen in diesem Bündnis wollen nach ihren Möglichkeiten konkrete Hilfe leisten“.
„Nach ihren Möglichkeiten“ meint dann aber ausdrücklich nicht, dass sich die daran beteiligten – inzwischen 92 – Städte und Gemeinden weiter in eine Schuldenspirale treiben lassen sollen sondern ist ein Signal an Europa: „Wir müssen reden!“ – weil wir die Bedingungen für die Flüchtlinge und die Kriminalisierung der Seenotrettung nicht weiter hinnehmen wollen.
Es ist also eine politische Forderung die über den symbolischen Akt hinausgeht!
Der Reflex, ein humanitäres Anliegen gleich mit Sachzwängen kleinreden zu wollen, irritiert aber noch aus anderen Gründen: Die Unterfinanzierung der Stadt ist strukturell und hat was damit zu tun, wie Bund und Land den Kommunen Aufgaben zuweisen ohne gleichzeitig für eine angemessene Finanzierung zu sorgen. Damit können Kommunen in prosperierenden Regionen besser umgehen, als im vom Strukturwandel betroffenen Ruhrgebiet. Die Forderung kann deshalb nur sein, für einen kommunalen Finanzausgleich zu sorgen, der den Namen auch verdient, und muss sich an Bund und Land richten. Notfalls auch gerichtlich. Falsch ist es aber auf jeden Fall den zivilgesellschaftlichen Willen mit Sachzwängen blockieren zu wollen.
Humanität und Solidarität dürfen schließlich keine Frage der Haushaltslage sein!
Das war und ist es ja auch bekanntlich bislang nicht. Denn relativ stoisch erträgt unsere Stadt die Aufwendungen die sich durch den Solidaritätsfond „Aufbau Ost“ ergeben. Bislang wurden in diesen von 1991 bis einschließlich 2018 mehr als 23 Millionen Euro überwiesen. Kalkuliert man die Zinsen dazu so ergibt dies eine Summe von über 49 Millionen Euro, was etwa einem Drittel des Waltroper Schuldenbergs entspricht.
Nun soll das hier nicht gegeneinander aufgerechnet werden – es stellt sich aber die Frage der Verhältnismäßigkeit, weil mit dem Beschluss sich zum „sicheren Hafen“ zu erklären nicht per se monetäre Leistungen verbunden sind.
Wir können aber als Zivilgesellschaft nicht zulassen, dass Menschen auf ihrer Flucht an den europäischen Außengrenzen sterben. In diesem Jahr sind es schon über 1.000 die im Mittelmeer ertrunken sind, seit 2014 schätzungsweise über 20.000. Das weiter zu verhindern ist unsere zivilisatorische Verantwortung, wozu die Unterstützung des Palermo Appells ein – wenn auch kleiner – wichtiger Schritt ist.