Nordrhein-Westfalen liegt im Trend: Im bevölkerungsreichsten Bundesland ist die Wahlbeteiligung zum achten Mal in Folge bei einer Landtagswahl in Deutschland gestiegen.
Doch auch die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung in NRW hat im Vergleich zur Landtagswahl 2012 zugenommen. Das zeigt eine Wahlanalyse der Bertelsmann Stiftung.
Gütersloh, 19. Mai 2017. Über acht Millionen Wahlberechtigte haben am Sonntag bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihre Stimme abgegeben. Mit 65,2 Prozent war die Wahlbeteiligung im bevölkerungsreichsten Bundesland so hoch wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Dennoch hat die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung nicht abgenommen. Im Gegenteil: Die soziale Spaltung zwischen Wählern und Nichtwählern hat sich sogar noch einmal leicht verschärft.
Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Analysiert wurde die Höhe, die Veränderung und das soziale Profil der Wahlbeteiligung für 274 für ganz Nordrhein-Westfalen repräsentative Stimmbezirke und für insgesamt 158 Stadtteile in vier Großstädten (Düsseldorf, Köln, Dortmund und Bielefeld).
Dabei zeigt sich auch für die NRW-Wahl 2017: Je wirtschaftlich schwächer und sozial prekärer die Milieustruktur in einem Stimmbezirk ist, desto geringer ist die Wahlbeteiligung, und desto geringer fiel auch der Anstieg der Wahlbeteiligung aus. In den wirtschaftlich stärkeren Milieus der Mittel- und Oberschicht ist die Wahlbeteiligung dagegen deutlich höher, und auch stärker gestiegen. Das hat die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung weiter verschärft. In den Stimmbezirken mit der niedrigsten Wahlbeteiligung finden sich prozentual fast viermal so viele Arbeitslose und knapp doppelt so viele Menschen ohne Schulabschluss wie in den wählerstärksten Stimmbezirken.
„Der Anstieg der Wahlbeteiligung in NRW ist gut für die Demokratie“, sagt Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung und Leiter der Studie. „Mobilisiert wurden allerdings vor allem die wirtschaftlich stärkeren Wählermilieus. Deshalb hat sich mit dem Anstieg der Wahlbeteiligung auch ihre soziale Spaltung weiter verschärft.“
Das zeigt auch ein Blick auf die Veränderung der Wahlbeteiligung: In den wirtschaftlich starken Wählerhochburgen ist die Wahlbeteiligung von rund 73 auf 79 Prozent um überdurchschnittliche 6 Prozentpunkte gestiegen. In den Nichtwählerhochburgen, wo überwiegend wirtschaftlich schwächere Haushalte leben, stieg die Wahlbeteiligung dagegen nur unterdurchschnittlich um weniger als 5 Prozentpunkte (2012: 44,5 Prozent, 2017: 49,3 Prozent).
CDU und FDP profitieren von Nichtwählermobilisierung
Profitiert von der Nichtwählermobilisierung haben vor allem die CDU und die FDP. Fast zwei Drittel (520.000) aller zusätzlich mobilisierten Nichtwähler (810.000) haben bei der Landtagswahl 2017 für die CDU (430.000) oder die FDP (90.000) gestimmt. Deutlich weniger erfolgreich war die SPD, die nur etwa 170.000 Nichtwähler zusätzlich mobilisieren konnte. Ein weiterer Grund für das schwache Abschneiden der SPD ist die geringe Wahlbeteiligung in ihren sozialen Stammwählermilieus. Die SPD erzielt vor allem dort gute Ergebnisse, wo die Wahlbeteiligung gering ist: Je geringer die Wahlbeteiligung in einem Stimmbezirk, desto besser ist das Ergebnis der SPD. Aufgrund der geringeren Wahlbeteiligung schlagen sich diese Erfolge im Gesamtwahlergebnis der SPD allerdings weniger nieder als die überdurchschnittlichen Ergebnisse der CDU und FDP in den sozial stärkeren Wählerhochburgen.
Auch die AfD konnte nicht dazu beitragen, die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung zu verringern. Denn die Partei hat zwar vor allem von den ehemaligen Protestwählern der Piratenpartei profitiert, aber nur vergleichsweise wenige zusätzliche Nichtwähler mobilisiert.