PRO ASYL: Sieg der Hardliner über Humanität und Menschenrechte
PRO ASYL bewertet das bisher bekannt gewordene Ergebnis der Sondierungen als einen Sieg der Hardliner über Humanität und Menschenrechte. Die sich anbahnende Große Koalition geht zulasten von Asylsuchenden und Flüchtlingen.
Die dauerhafte Isolierung aller Schutzsuchenden in Entscheidungszentren ist für faire Asylverfahren katastrophal. PRO ASYL befürchtet, dass damit ein faires Asylverfahren in der Praxis verhindert wird. Zu solcher Fairness würde es gehören, dass Fluchtgründe geprüft werden und behördliche Fehlentscheidungen durch den Rechtsweg korrigiert werden können. Isoliert, ohne effektiven Zugang zu Beratungsstrukturen, Anwältinnen und Anwälten droht die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes de facto ausgehebelt zu werden. Schutzsuchende werden sowohl im Asylverfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Hilfestellung dastehen. Eine Begleitung bei Anhörungen kann kaum stattfinden, der Zugang zu Rechtsbeistand wird erheblich erschwert. Aktuell haben rund die Hälfte der Klagen gegen abgelehnte Asylanträge Erfolg, bei Flüchtlingen aus Afghanistan sind es sogar 60%.
Zum Familiennachzug zu subsidiär Geschützten
Das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben darf nicht kontingentiert werden. Auch wer als Opfer vor Krieg und Folter flieht und subsidiären Schutz erhält, kann beim Familiennachzug nicht mit dem Hinweis auf die bereits erreichte Obergrenze abgespeist werden. Dem steht auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) entgegen.
Der Begriff der »Härtefallregelung« wurde in dem Sondierungspapier aus strategischen Gründen vermieden. Schaut man auf die Kriterien für einen Familiennachzug, so stellt man fest, dass es gegenüber den bisher geltenden Härtefalldefinition Verschärfungen gibt. Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten soll nur dann gewährt werden, wenn »eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist«. Damit ist diese Kategorie ebenso offen für politische Manipulationen wie die rechtlich nicht gestützte Unterscheidung zwischen Menschen mit »guter« und »schlechter Bleibeperspektive«, der in den letzten Jahren Karriere gemacht hat. Die Regelungen zum Familiennachzug stellen einen Vertrauensbruch gegenüber den betroffenen Flüchtlingen dar.
Den subsidiär Schutzberechtigten und ihren Angehörigen wurde durch § 104 Abs.13 S. 1AufenthG und die konkrete Frist des S.2 versprochen, dass ab 17. März 2018 die in diesen Jahren als schutzberechtigt Anerkannten (das ist die logische Konsequenz einer Aussetzung) ein Recht auf Familiennachzug haben. Sie haben darauf vertraut und z.B. auf eine »Aufstockungsklage« verzichtet (Versuch, auf vollen Flüchtlingsschutz zu klagen) und sonstige Dispositionen getroffen z.B. Verkauf von Haus und Grund, berufliche Orientierung, Lebensplanung, Verzicht auf Weiterwanderungsversuche etc.
Eine Verlängerung der Aussetzung ist verfassungswidrig und rechtspolitisch unerträglich – man muss sich auf das Auslaufen eines Gesetzes verlassen dürfen.
Zu befürchten ist, dass Behörden sich in Sachen Familiennachzug häufig darauf berufen werden, dass eine Ausreise kurzfristig zu erwarten sei und damit versuchen, den Anspruch auf Familiennachzug ins Leere laufen zu lassen. Deshalb muss die gesetzliche Trennung der Familien zum 16. März 2018 auslaufen. Alles andere ist ein Vertrauensbruch.
Der Familiennachzug zu unbegleiteten Minderjährigen mit subsidiärem Schutzstatus wird generell verhindert – ohne jede Härtefallregelung und Ausnahme. Die zynische Begründung: So werde verhindert, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls auf die gefährliche »Reise« vorgeschickt würden (Z. 901). Das dahinterstehende Bild ist unsäglich und als Ergebnis einer hochrangigen Verhandlungsdelegation zynisch und beschämend.
PRO ASYL kritisiert die Aussetzung der Aufnahme aus Griechenland und Italien. Für mehr als 4.000 Familiennachzugsangehörige, die bereits einen Rechtsanspruch auf die Familienzusammenführung in Deutschland haben, scheint sich nichts zu ändern.
Integration in Deutschland
An mehreren Stellen liefern die sondierenden Parteien Bekenntnisse zur gelingenden Integration ab (z.B. Z. 927). Gleichzeitig wird festgelegt: »Eine Verfestigung von Aufenthaltsrechten wollen wir dabei vermeiden«. Dies ein im Papier nicht aufgelöster Widerspruch und ein Bekenntnis, dass an dauerhaft prekären Aufenthaltsformen festgehalten werden soll. Menschen, die Flüchtlinge unterstützen, Arbeitgeber, die sie einstellen und ausbilden, erwarten zurecht, dass es eine Aufenthaltsperspektive für die Betroffenen gibt. Ohne eine klare Linie der Verfestigung des Aufenthaltsrechts wird Integration erschwert.
Sichere Herkunftsstaaten
Vereinbart wurde die Absicht, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Angesichts von bereinigten Anerkennungsquoten bei diesen Staaten von mehr als fünf Prozent (die bereinigte Schutzquote für die Maghreb-Staaten betrug im zwischen Januar und November 2017 10,2 % für Marokko, 6,1 % für Tunesien und 5,2% für Algerien) würde eine der zentralen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen kaum erfüllbar sein (Verfolgungsfreiheit und keine strukturellen Menschenrechtsdefizite).
Darüber hinaus sollen sogar regelmäßig alle Staaten mit einer Quote unter 5 Prozent per Automatik zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt werden. Damit würde sich die kommende Bundesregierung ihrer Verpflichtung auf faire Prüfung entziehen.
Externer Link: Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD