Presseerklärung der vor dem Bochumer Rathaus protestierenden Refugees
Heute, am 8. September, werden wir unser Protestcamp vor dem Rathaus abbauen. Wir protestieren seit dem 25. August gegen das neue Integrationsgesetz und die Praktiken der Stadt Bochum. Jetzt hat die Stadt zugesagt, dass alle, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 6. August nach Bochum gekommen sind, bis mindestens zum 1. Dezember keine Aufforderungen erhalten die Stadt zu verlassen. Auch die zu Unrecht eingestellten Leistungen des Jobcenters sollen wieder aufgenommen werden. Wir vertrauen in die Stadt, dass sie ihre Zusagen einhält.
Wenn die Stadt ihre Versprechen nicht hält, oder versucht, uns später doch noch zu vertreiben, werden wir unseren Protest wieder aufnehmen. Wir wollen die Stadt beim Wort nehmen. Wir fordern, dass diese Entscheidung für alle gilt, die tatsächlich vor diesem Datum nach Bochum gekommen sind – und dass die Stadt dies nicht nur an der Anmeldung beim Bürgerbüro festmacht. Denn einige konnten sich dort bis heute aus verschiedenen Gründen nicht registrieren. Deshalb muss jeder Nachweis von der Stadt akzeptiert werden, zum Beispiel Briefe des Jobcenters, von Wohnungseigentümern, von den Schulen unserer Kinder sowie Aussagen von Zeugen, die bestätigen, dass wir vorher unseren gewöhnlichen Aufenthalt in Bochum genommen haben. Wir fordern außerdem, dass alle Briefe von der Ausländerbehörde, die uns aufgefordert haben Bochum zu verlassen mit sofortiger Wirkung ungültig sind. Die Entscheidung der Verwaltung gibt uns jetzt etwas Zeit und nimmt uns die aktuelle Last von unseren Schultern. Aber die eigentliche Entscheidung ist nur verschoben. Bis dahin verbleiben wir in Unsicherheit. Deshalb fordern wir, dass alle, die Bochum als ihren neuen Lebensmittelpunkt gewählt haben, dauerhaft bleiben können – auch nach dem 1. Dezember.
Es geht um Selbstbestimmung. Es geht um unsere Zukunft. Es geht um unser Leben.
Hintergrund: Im August wurden die ersten Menschen von der Ausländerbehörde aufgefordert, Bochum zu verlassen. Der Grund soll das neue Integrationsgesetz gewesen sein: Es besagt, dass jeder, der im Jahr 2016 als Flüchtling anerkannt wurde, in die Stadt rückkehren soll, in der er den Asylantrag gestellt hat. Davon sollen in Bochum 800 bis 1.000 Menschen betroffen sein. Wir sind aber rechtmäßig nach Bochum gezogen – jetzt soll das neue Gesetz rückwirkend gelten. Wir haben Wohnungen, Plätze in Integrationskursen und Schulen für unsere Kinder hier gefunden. Es hat uns viel Aufwand und Lebenszeit gekostet, um unser neues Zuhause zu finden und unsere Zukunft hier aufzubauen. Und dann wurde uns gesagt, wir sollen gehen und das alles verlieren. Gleichzeitig wurden uns Sozialleistungen vom Jobcenter verweigert. Wir hatten kein Geld für die grundsätzlichsten Dinge: Essen, unsere Wohnungen und unsere Krankenversicherungen.