Informationen und Hinweise
Die erklärte Absicht der Politik, die Zahl der Abschiebungen zu steigern, führte in letzter Zeit dazu, dass auch Schüler aus Schulen zur Abschiebung abgeholt wurden. Schulleiter und Lehrkräfte wurden zur Kooperation mit der Polizei aufgefordert. Die Reaktionen schwanken zwischen Empörung und Achselzucken. Dieser Leitfaden will notwendige Informationen vermitteln, um die eigenen Handlungsmöglichkeiten abschätzen zu können.
Grundbegriffe: Was ist eine Abschiebung?
Von einer Abschiebung spricht man, wenn eine für den Ausländer bestehende Ausreisepflicht zwangsweise, mit Hilfe der Polizei, durchgesetzt werden soll. Er wird von der Polizei abgeholt und ins Flugzeug gesetzt oder an die Landesgrenze gebracht. Abschiebungen erfolgen nach den Gesetzesverschärfungen von 2016 überraschend, sie dürfen nicht mehr angekündigt werden.
Voraussetzung einer Abschiebung ist eine vollziehbare Ausreisepflicht. Eine solche liegt beispielsweise vor, wenn
– das Asylverfahren rechtskräftig (insgesamt) negativ abgeschlossen ist,
– gegen die negative Asylentscheidung zwar eine Klage eingereicht wurde, diese aber keine aufschiebende Wirkung hat bzw. das Gericht im Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat (diese Fallkonstellation liegt insbesondere bei Entscheidungen vor, die als „offensichtlich unbegründet“ oder als „unzulässig“ tituliert wurden),
– eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt,
– ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde und nicht zugesichert wurde, bis zur Entscheidung im Klageverfahren bleiben zu dürfen, bzw. ein Eilantrag abgelehnt wurde.
Ob also eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegt, ist gar nicht so einfach festzustellen. Auch der Betroffene wird sich oftmals dessen nicht sicher sein. Grund dafür ist auch, dass ihm mit der Grundentscheidung – z. B. einer einfachen Ablehnung des Asylantrags – eine Ausreisefrist von z. B. 30 Tagen eingeräumt wird, die aber erst zu laufen beginnt, wenn das Verfahren insgesamt negativ abgeschlossen ist. Zwischen dieser Entscheidung und dem rechtskräftigen Abschluss können Monate, manchmal auch Jahre liegen, deshalb wissen die Betroffenen oft nicht, wann „die Uhr zu ticken beginnt“. Wenn den Asylbewerbern das bisherige Ausweispapier – die Aufenthaltsgestattung – abgenommen wird und durch eine Duldung („Aussetzung der Abschiebung“) Grenzübertrittsbescheinigung ersetzt wird, erkennen sie oft nicht den Ernst der Lage. Beide Papiere werden von der Ausländerbehörde oft verlängert, etwa, weil noch Dokumente beschafft werden müssen und die Abschiebung technisch organisiert werden muss. Dies geschieht sozusagen im Hintergrund: sind dann die Papiere da, erfolgt die Festnahme zur Abschiebung, auch wenn und obwohl der Betroffene z. B. eine noch drei Wochen gültige Duldungsbescheinigung hat.
Wer ist konkret bedroht?
Personen, die nur im Besitz einer Grenzübertrittsbescheinigung sind, wenn das Datum der Ausreisefrist abgelaufen ist. Wird die Grenzübertrittsbescheinigung – wie in der Praxis üblich – (durch einen Stempel) verlängert, ist nicht sicher, ob damit die Frist zur freiwilligen Ausreise verlängert wird – was eine Abschiebung ausschließen würde – oder nur die in der Praxis bestehende Ausweisfunktion der Grenzübertrittsbescheinigung.
Ist der Betreffende im Besitz einer Duldung, besteht nicht unbedingt eine unmittelbare Gefahr, es ist aber Vorsicht geboten. Entscheidend ist, aus welchem Grund die Duldung erteilt wurde.
Wurde die Duldung erteilt, weil tatsächliche Gründe einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen (z. B. kein Passbesitz), droht eine Abschiebung, sobald der Pass vorliegt. In diesen Fällen ist regelmäßig ein Zusatz angebracht, dass die Duldung erlischt, sobald die Abschiebung möglich ist.
Stehen der Abschiebung aber rechtliche Gründe entgegen (z. B. Krankheit) oder handelt es sich um eine sog. „Ausbildungs-Duldung“ (wegen einer Ausbildung), ist eine unvorhergesehene Abschiebung regelmäßig nicht zu befürchten.
Da die durchgeführten Abschiebungen nach Afghanistan und die Propagierung einer verstärkten Abschiebungstätigkeit durch die Politik viele Ausländerinnen und Ausländer grundlos verunsichert haben, sei klargestellt, wem die Gefahr einer Abschiebung nicht droht:
– Personen, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis oder auch einer sog. Fiktionsbescheinigung sind,
– Personen, die im Besitz einer Aufenthaltsgestattung (zur Durchführung des Asylverfahrens) sind, und
– Geduldete, bei denen nicht in der Duldung vermerkt ist, dass diese erlischt, sobald die Abschiebung möglich ist. Ein Restrisiko besteht dennoch.
Schrecken am Morgen –die Polizei kommt
Da Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden dürfen, erscheint die Polizei zur Durchführung der Überstellung in den Herkunftsstaat oder einen Drittstaat regelmäßig unangekündigt, etwa in der Wohnung, aber auch in der Schule, am Arbeitsplatz oder künftig möglicherweise auch im Kindergarten. Was ist in dieser Situation zu tun?
1. Hat der Betroffene einen Anwalt, verständigen Sie diesen als Erstes – per Telefon und auch per Telefax und/oder E-Mail. Da diese nicht immer, wenn die Polizei in den frühen Morgenstunden erscheint, hinter ihrem Schreibtisch sitzen, informieren Sie weiter die Familienangehörigen und alle Unterstützer, damit diese gegebenenfalls den Anwalt benachrichtigen oder sonstige Hilfe organisieren.
2. Versuchen Sie herauszubekommen, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen, also eine vollziehbare Ausreisepflicht. Weisen Sie gegebenenfalls auf laufende Gerichtsverfahren hin (mit Aktenzeichen!), bitten Sie den polizeilichen Einsatzleiter, dem nachzugehen und sich mit der zuständigen Ausländerbehörde in Verbindung zu setzen. Tun Sie dies gegebenenfalls selbst; zuständig ist das örtliche Ausländeramt oder die Mittelbehörde (Regierung). Sowohl die Polizeibeamten als auch die Mitarbeiter der Ausländerbehörden sind an Recht und Gesetz gebunden, sie müssen den substantiierten Hinweisen, dass möglicherweise ein Irrtum vorliegt, nachgehen. Weisen Sie sie auf diese Pflicht hin!
Ist der Anwalt nicht erreichbar, bestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Abschiebung, sollte der Betroffene – oder ein von ihm beauftragter Freund, Nachbar, Lehrer mit schriftlicher (!) Vollmacht in seinem Namen – einen formlosen Antrag an das Verwaltungsgericht richten, die Abschiebung einstweilen zu untersagen. Damit ist zumindest eine Überprüfung der Aktenlage sichergestellt.