Nachfolgender Beitrag wurde eigentlich für ein anderes Forum verfasst, allerdings stellt er eine gute kurze Zusammenfassung dar, von der Verwicklung der verschiedenen Verfassungsschutzämter mit dem NSU – Komplex. Wer sich dafür interessiert findet hier sicherlich einige Ansätze für die weitergehende und vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema:
Über dreizehn Jahre, von 1994 bis 2011, konnten Mitglieder des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) untertauchen, zehn Menschen aus rassistischen sowie fremdenfeindlichen Motiven ermorden, und verübten in der Zeit drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Dieser Zusammenhang wurde öffentlich, als die Haupttäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 04. November 2011 (vermutlich) Suizid begannen und Beate Tschäpe zur Verdeckung von Spuren deren Wohnung in Zwickau abfackelte und Bekennervideos versendete.
In dem 2014 vorgestellten Buch „Heimatschutz: Der Staat und die Mordserie des NSU“, entwerfen die renommierten Journalisten Stefan Aus und Dirk Laabs auf fast 900 Seiten nicht nur eine ausführliche Anatomie der rechtsextremen Szene in Deutschland, sondern verweisen auf eine Verwicklung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) sowie der entsprechenden Ämter auf Landesebene mit der rechtsextremen Szene hin. Auf diesen Fakt soll hier im Weiteren eingegangen werden.
Nachdem sich die Terroristin Beate Zschäpe am 08. November der Polizei in Jena stellte, fingen die Verfassungsschutzämter an ihre Daten über den NSU zu sichten und zum nicht geringen Teil zu vernichten. Unmittelbar nach der Festnahme von Tschäpe wurden zum Beispiel die Akten von sieben V-Leuten aus der Thüringer Neonaziszene geschreddert. Allein beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden über viele Monate 310 Vorgänge vernichtet, etliche weitere in unbekannter Anzahl in den Landesämtern.
In ihrem Buch entwerfen der Ex-Spiegel- Chefredakteur Aust sowie sein Co-Autor einen Skandalkomplex auf drei Ebenen:
1. Erstarken des Rechtsextremismus nach 1990.
2. Versagen von Polizei und Justiz bei der Aufklärung der sogenannten Dönermorde.
3. Die Vertuschungsaktion.
Lediglich zum zweiten Skandal kann man sagen, dass man diesen nachvollziehen kann: „Die Ermittler scheiterten an handwerklichen Fehlern, Zuständigkeitsgerangel und ihren rassistischen Stereotypen, wegen der sie sich bei der Motivsuche immer wieder bei den Opfern festbissen.“
Wie nun im Kontext des Prozesses gegen Tschäpe insbesondere durch die NebenklägerInnen deutlich wird, hat das Trio auf ein Netzwerk von geschätzten 100 bis 200 Personen zurückgreifen können. Insgesamt wird die in diesem Kontext stehende Parallelgesellschaft bundesweit auf 1.500 Personen stark geschätzt.
Die Vermutung liegt nun nahe, dass dem Verfassungsschutz die terroristischen Aktivitäten bekannt waren und dass er im unmittelbaren Umfeld der Terroristen V-Leute platziert hatte, die geschützt werden sollen. Das ist im Wesentlichen auch die Essenz des Buches, dass dem Verfassungsschutz die Quellen und die Mitarbeiter wichtiger sind, als die Aufarbeitung der NSU-Taten. Anwältin Antonia von der Behrens, die eine Nebenklage vertritt, geht allerdings einen Schritt weiter und formulierte im Prozess gegen Tschäpe, dass „derzeit nicht ausgeschlossen werden kann“, dass der Verfassungsschutz „gar an der Tat mitgewirkt hat“. Fakten hierzu sind allerdings nach aktuellem Stand nicht (mehr) rekonstruierbar.
Die These, die insbesondere in Antfa-Kreisen kolportiert wird, in der rechtsextremen Szene würde die Existenz von Verrätern, V-Männern und Doppelagenten als nützlich empfunden werden, weil sich so jeder vor Strafe schützen kann indem er sich als „Quelle“ andient, kann man nicht wirklich nachvollziehen. Bekannt sind solche „Wechselbeziehungen“ allerdings schon.
Fakt ist allerdings, dass nach 1945 etliche Altnazis innerhalb des Verfassungsschutzes ihre Seilschaften gebildet haben und diese bis in die Spitze der Behörde hinein reichten. Eine systematische Erforschung wurde erst 2011 veranlasst. Geht man jedoch davon aus, dass sich in dieser Behörde die gesellschaftlichen Anteile, wonach 16 Prozent im Osten und sieben Prozent im Westen der Republik über ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild verfügen, spiegeln, dann lässt das nichts Gutes vermuten.
Ebenfalls Fakt ist, dass Alt- wie Neonazis versuch(t)en solche Institutionen gezielt zu infiltrieren: Altnazis im BND, Rechtsextreme in der Bundeswehr und Reichsbürger bei der Polizei: Eine wirkliche Aufarbeitung findet nicht statt.
Quellen (Auswahl):
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Untergrund
https://www.randomhouse.de/Buch/Heimatschutz/Stefan-Aust/Pantheon/e419109.rhd
http://www.zeit.de/2014/28/aust-laabs-heimatschutz-sachbuch
https://www.heise.de/tp/features/Wer-schuetzt-uns-vor-dem-Verfassungsschutz-3393220.html
https://www.perlentaucher.de/buch/stefan-aust-dirk-laabs/heimatschutz.html