Knapp eine Million ehemalige polnische Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene lebten nach Ende des Zweiten Weltkriegs als sogenannte „Displaced Persons“ (DPs) in Sammelunterkünften in den westlichen Besatzungszonen. Ihnen widmet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unter dem Titel „Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Polnische Displaced Persons in Deutschland 1945 und 1955“ eine neue Ausstellung. Die zweisprachige Schau ist vom 17. Juni bis 30. Oktober im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum zu sehen.
Mit Dokumenten, Fotos und Videointerviews wirft die Ausstellung ein Licht auf dieses kaum bekannte Stück deutsch-polnischer Geschichte. Bereichert wurde das Projekt auch durch die Kooperation mit der „Porta Polonica“, der beim LWL-Industriemuseum angesiedelten und vom Bund finanzierten Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland.
Hintergrund
Schätzungsweise elf Millionen Männer und Frauen, die unter Zwang nach Deutschland gebracht worden waren, hielten sich bei Kriegsende in Deutschland auf. Innerhalb von nur fünf Monaten kehrten rund neun Millionen von ihnen in ihre Heimat zurück, darunter fast alle Menschen aus der Sowjetunion. So waren es im Oktober 1945 vor allem Menschen aus Polen und den baltischen Staaten, die noch in den Sammellagern in Deutschland festsaßen.
Über zehn Jahre lang haben Militärbehörden, Hilfsorganisationen und Verwaltungen nach Kriegsende versucht, in einem Wechsel von Fürsorge und Druck Perspektiven für die Menschen zu entwickeln. Zunächst stand die Unterbringung und Versorgung im Mittelpunkt: In einzelnen Fällen wurden Häuser, Straßenzüge oder wie in Haltern ganze Stadtteile von den Alliierten requiriert, um DPs darin unterzubringen.
Trotz vielfältiger und aufwendiger Programme lebten Mitte der 1950er Jahre noch gut 100.000 der ehemals eine Millionen polnischen DPs in Deutschland. Für sie schufen die Landesregierungen, allen voran Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, in großen Bauprogrammen eine dauerhafte Bleibe, um die Jahre des Lagerlebens zu beenden. „Manche dieser Siedlungen tragen heute noch lebendige Spuren des polnischen Lebens in sich“, weiß Museumsleiter Osses.
Katalog
Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Polnische Displaced Persons in Deutschland 1945-1955.
Hg. LWL-Industriemuseum, Dietmar Osses, 222 Seiten, Klartext-Verlag, Essen 2016, 19,95 Euro
Begleitprogramm
Mi, 6.7. 19 Uhr
Vortrag und Gespräch: Zwischen allen Fronten. Polnische Displaced Persons in Deutschland 1945-1955. LWL-Museumsleiter Dietmar Osses berichtet in einem Lichtbildvortrag über die Geschichte der polnischen DPs. Eintritt frei
So, 10.7. 16 Uhr
Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Offene Führung durch die Ausstellung zu polnischen Displaced Persons in Deutschland
So, 7.8. 16 Uhr
Kultur im Lager. Offene Führung durch die Ausstellung zu polnischen Displaced Persons in Deutschland
So, 4.9. 16 Uhr
Keine Hoffnung auf Rückkehr? Offene Führung durch die Ausstellung zu polnischen Displaced Persons in Deutschland
Mi 14.9. 20 Uhr
Vortrag und Gespräch: Vom Akkordeonabend bis zur Theaterpremiere. Geselligkeit, Musik und Theater in polnischen DP-Lagern. Lichtbildvortrag von Kurator Bartholomäus Fujak
Do, 22.9. 19 Uhr
Vortrag und Gespräch: Zwischen Sehnsucht nach dem Leben und Hunger nach dem Wort. Bedeutung und Funktion der Kultur für die polnischen Displaced Persons in Deutschland. Lichtbildvortrag von Dr. Jacek Barski, Leiter der Porta Polonica, Dokumentationsstelle zur Kultur und Geschichte der Polen in Deutschland
Do, 6.10. 19 Uhr
Vortrag und Gespräch Polnische Displaced Persons in Westfalen und dem Ruhrgebiet. Eine Spurensuche. Dietmar Osses
So, 9.10. 16 Uhr
Zwangsarbeiter – Displaced Persons – Heimatlose Ausländer. Offene Führung durch die Ausstellung zu polnischen DPs in Deutschland
Do, 27.10. 19 Uhr
Vortrag und Gespräch: Den Blick nach vorn gerichtet. Polnische Displaced Persons in Schule, Ausbildung und Beruf. Lichtbildvortrag des Historikers David Skrabania
Zwischen Ungewissheit und Zuversicht
Polnische Displaced Persons in Deutschland 1945-1955
17. Juni bis 30. Oktober 2016
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover
Günnigfelder Straße 251 I 44793 Bochum
Geöffnet Mi-Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr
http://www.lwl-industriemuseum.de