Archiv für Mai 2016
Impulse. Fotografien im Ruhrgebiet // 24. Mai 2016 // Migration und Flucht
Migration und Flucht haben im Ruhrgebiet eine lange Tradition. Während Migration die Verbesserung der Lebensumstände mit sich bringen soll, geht es bei Flucht um die Rettung des Lebens selbst. Das Ruhrgebiet war aufgrund seines hohen Bedarfs an Arbeitskräften während der Industrialisierung und des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg immer ein Anziehungspunkt für Migranten, während auch heute die meisten Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen kommen.
In der Gesprächsrunde „Impulse. Fotografie im Ruhrgebiet“ am 24. Mai 2016 stellen die beiden Fotografen Brigitte Kraemer und Andreas Langfeld im Rundeindicker über dem Ruhr Museum ab 18 Uhr ihre aktuellen Projekte zum Thema „Migration und Flucht“ vor, mit denen sie Impulse setzen und die Diskussionsgrundlage für den Abend liefern. Moderiert wird die Gesprächsrunde von Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung des Ruhr Museums.
Brigitte Kraemer, geboren 1954, fotografiert seit 1984 journalistisch das Thema „Migration“ im Ruhrgebiet. In all ihren Büchern und Publikationen ist das Thema „Migration“ ein zentraler Bestandteil. 2014 erhielt sie eine Projektförderung der VG Bild-Kunst für die Langzeitdokumentation „Flüchtlinge und Migration“.
Andreas Langfeld, geboren 1984, hat seine Diplomarbeit „Status“ an der Folkwang Universität der Künste zum Thema „Migration“ fotografiert. Mit der Arbeit „Status“ richtet Andreas Langfeld einen intensiven Blick auf Fragen der Anerkennung von Menschen und ihrer Würde. Seine Protagonisten sind Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft Schwierigkeiten haben, ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu bekommen. Seine dokumentarische Arbeit umfasst 335 Fotografien und ist 2013/2014 entstanden.
Kosten
Die Veranstaltung ist kostenlos.
Adresse
Rundeindicker, UNESCO-Welterbe Zollverein, Areal A [Schacht XII], Kohlenwäsche [A14], Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen
ALEPPO IS BURNING
Ihren Auftritt auf der 1. Mai Kundgebung im Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen, nutzte die Waltroper Tanzgruppe Ojin (Überlebende), um auf die aktuelle dramatische Situation in Aleppo hinzuweisen. Nachfolgend ein Auszug aus der Rede:
A part from the event #AleppoIsBurning in #Recklinghausen that been conducted Sunday (01.05.2016) during the festival Ruhrfestspiele.
A part from the speech:
[What you are going to see now is a folkloric cultural dance that we call Dabkeh , it is a main tradition in our celebrations , weddings, parties and Birthdays.
And it is very hard for us to be performing this symbolic happy dance here and now, while at the same moment the city of Aleppo is being attacked and destroyed by Assad regime and it’s supports. Many people are passing away by every minute; children, women, humanitarian workers and doctors. But we will try to present this show despite all the pain and sorrow to show the other face of us. And please let us gift this dance to the pride of revolution and Syria, Aleppo City.
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen – Stresstest für das deutsche Gesundheitswesen
Düsseldorf – Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gibt vor, dass ärztliche Leistungen für Flüchtlinge nur bei akuter Erkrankung und Schmerzen abrechenbar sind. Welche gesundheitlichen Probleme das umfasst, unterscheidet sich von Kommune zu Kommune. Oft wissen kranke Flüchtlinge nicht, welche Ärzte für sie zuständig sind. Ärzte wiederum sind verunsichert, welche Erkrankungen sie behandeln dürfen. Mit der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Migranten befasste sich der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) im April in Würzburg. Dort stellten Experten die aktuelle Versorgungssituation an Beispielen vor. Ein Fazit: medizinisches Personal leistet mehr als das deutsche Gesundheitssystem von Rechts wegen vorsieht und vergütet.
„Derzeit existiert viel anekdotische Erfahrung aber wenig systematische Information – der Föderalismus ist dabei ein großes Problem“, betont Dr. med. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamts der Stadt Köln. Mehr als 12 000 Flüchtlinge brachte Köln bis Februar 2016 in Wohnheime, Notunterkünfte und Hotels unter. „Das Bild nach der Erstaufnahme ist sehr bunt – einige Menschen sehen aus wie Touristen, anderen sind die Strapazen einer beschwerlichen Flucht deutlich anzusehen,“, so Dr. Bunte in Würzburg. Die gute Nachricht: Rund 70 Prozent sind gesund. Wenn nicht, leiden sie öfter an Magen-Darm-Infektionen durch Noroviren oder Campylobacter, die heute auch in Deutschland nicht selten Auslöser dieser Erkrankung sind. Zwar haben die Fallzahlen an Tuberkulose, Hepatitis B und C mit dem Flüchtlingsstrom zugenommen. Die Kölner Experten sind sich jedoch sicher, die weitere Verbreitung der Krankheit durch Basishygiene und Impfungen vermeiden zu können. „Die Eltern sind sehr aufgeschlossen dafür, ihre Kinder impfen zu lassen“, schildert Dr. Bunte, „mitunter laufen Flüchtlingskinder aber Gefahr, sich bei Deutschen anzustecken, da hierzulande die Durchimpfungsrate sinkt“.
Nach der Erstaufnahme verläuft der Weg in eine medizinische Behandlung alles andere als geradlinig, meint Dr. med. Amand Führer von der Universität Halle. Er bezeichnet die aktuelle Situation als „Stresstest für unser Gesundheitswesen“. Um ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen, benötigen Flüchtlinge einen Behandlungsschein vom Sozialamt. „Die Scheine bedeuten nicht nur bürokratischen Aufwand – je länger die Patienten auf eine Behandlung warten, desto weiter schreitet die Erkrankung fort.“ Oft schicken Praxen und Kliniken die Patienten auf Irrwege durch die Institutionen, weil Strukturen fehlen – zumal eine Diagnose nicht immer auch zur notwendigen Therapie führt. „Das ist ethisch durchaus fragwürdig“, sagt Dr. Bunte. An den Schnittstellen gehen zudem viele Informationen verloren.
Doch nicht nur die Flüchtlinge sind unsicher, welche Leistungen das AsylbLG umfasst. Prinzipiell haben alle Schwangeren, Kinder und medizinische Notfälle ein Recht auf Behandlung, aber auch Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen sind im AsylbLG vorgesehen. „Bei chronisch Kranken, wie etwa Menschen mit Diabetes, ist selbst Ärzten und Sozialarbeitern oft unklar, ob und in welchem Maße Anspruch auf ärztliche Leistungen besteht“, sagt Dr. Führer, der die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in Halle epidemiologisch und ethnografisch untersucht hat. Erschwerend wirkt sich die Sprachbarriere aus: „Wenn schließlich ein Dolmetscher verfügbar ist, kann es passieren, dass dieser Informationen ändert oder nicht übersetzt, was sich dann auch auf die Behandlung auswirkt.“
Für einen schnelleren Zugang zu Leistungen hat die Stadt Köln zum 1. April die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. „Ziel muss es sein, die Menschen möglichst zügig in die Versorgung zu integrieren“, meint Dr. Bunte. Genau das gelingt derzeit bundesweit kaum. Fakt sei jedoch, betont Rechtsexperte Professor Dr. iur. Winfried Kluth aus Halle, „dass das deutsche Gesundheitswesen in der Praxis weit mehr leistet als es von Rechts wegen muss.“ Er wies in Würzburg auch darauf hin, dass anstelle einer umfangreichen Liste mit erlaubten Leistungen ein Negativkatalog einfacher zu handhaben wäre.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 171 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum.
GEW: „Bildung kann nicht warten“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat am „Tag der Arbeit“ mit Blick auf die Integration geflüchteter Menschen und Asylsuchender deutlich gemacht: „Bildung kann nicht warten“. „Das Menschenrecht auf Bildung gilt für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen – ohne Ausnahme und ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus‘. Alle Geflüchteten und Asylsuchenden müssen von Anfang an Zugang zu Bildung bekommen“, betonte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe während der Kundgebung am 1. Mai in Würzburg. Der „Tag der Arbeit“ steht unter dem Motto „Zeit für mehr Solidarität“. „Bildung ist der Schlüssel für eine gelingende Integration von Geflüchteten und Asylsuchenden in Deutschland. Die Pädagoginnen und Pädagogen in den Bildungseinrichtungen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten und die großen Herausforderungen zu meistern. Sie erwarten jedoch zu Recht, dass Politik sie in ihrem Engagement mit zusätzlichen personellen und materiellen Ressourcen unterstützt.“ Insbesondere der Bund sei in der Pflicht, einen großen Teil der Kosten für die notwendigen Bildungsprogramme zu übernehmen.
„Neu zugewanderte Menschen sollen schnell die deutsche Sprache erlernen, um alle Bildungsangebote wahrnehmen zu können. Kitas, Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen müssen jetzt so ausgestattet werden, dass Geflüchtete und Asylsuchende eine individuelle und bedarfsgerechte Sprachbildung erhalten“, betonte Tepe.
Mit Blick auf die Schulen sagte die GEW-Vorsitzende: „Wir erkennen an, dass die Länder viele zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer geschaffen haben, um den geflüchteten Kindern und Jugendlichen ein schulisches Angebot zu machen. Sie haben flexibel auf diese Herausforderung reagiert. Diese Anstrengungen müssen jedoch noch einmal verstärkt werden.“ Für gelingende pädagogische Arbeit – beispielsweise in Sprachlernklassen – solle eine Lehrkraft auf zwölf Kinder kommen. Von dieser Schüler-Lehrer-Relation, das belegen die Einstellungszahlen, seien die Länder jedoch noch ein gutes Stück entfernt – zumal nicht alle der geschaffenen Stellen besetzt werden konnten, die Kinder aber schon in den Schulen sind. Zudem wisse niemand, wie viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen, aber noch nicht in den Schulen angekommen sind. Und: Die Zahl der Kinder, die allein oder mit ihren Familien nach Deutschland fliehen, werde weiter steigen. „Deshalb muss personelle Vorsorge getroffen werden. Mehr Lehrkräfte müssen etwa für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) qualifiziert werden“, unterstrich Tepe.
„In der Tat: Es ist Zeit für mehr Solidarität. Es ist unsere humanitäre Aufgabe, verstärkt Solidarität sowohl mit den geflüchteten als auch mit den Menschen in unserer Gesellschaft zu üben, die Unterstützung benötigen. Wir müssen deutlich machen, dass Solidarität keine leere Worthülse ist und eine gelingende Integration aller Menschen in die Gesellschaft Grundlage des Zusammenhalts ist“, sagte Tepe.