Okay, bundesweit rund 13,0 Prozent für eine Partei, die offen rassistische und nationalistische Thesen vor sich her trägt, sind 13,0 Prozent zuviel. In Waltrop erreicht diese zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus schwankende „Schande für Deutschland“ (Martin Schulz) 10,55 Prozent und liegt damit etwas über dem NRW-Schnitt und unterhalb der Ergebnisse in anderen Ruhrgebietsstädten. Ärgerlich natürlich auch, der Stimmenzuwachs gegenüber der NRW-Wahl von rund zwei Prozent für diesen rechten Laden.
Aber: Was ist denn die Ausgangssituation? Es sind nicht vorrangig soziale und/oder wirtschaftliche Fragen. Natürlich besteht eine allgemeine und auch berechtigte Unsicherheit hinsichtlich der Versorgung im Alter, der Energiewende, der Chancengleichheit bei der Bildung oder bei der gerechten Entlohnung und der sozialen Absicherung, um einige Beispiele zu nennen.
Doch sind dies die Fragen die die WählerInnen zu diesem obskurem Verein getrieben haben, der in unserer Stadt noch nicht einmal einen funktionierenden organisatorischen Zusammenhang hat und auch dann gewählt worden wäre, wenn die AfD als Kandidaten einen Besenstiel aufgestellt hätte? Nein. 75 Prozent der AfD – WählerInnen bezeichnen ihre persönliche wirtschaftliche Situation als gut. Was uns die Wahlanalysen verraten ist, dass die zentralen Themen Terrorismus, Kriminalität und Einwanderung sind. Und rund 60 Prozent wählen diesen Verein nur, weil sie von den anderen Parteien enttäuscht sind.
Das soll keine Entschuldigung sein, denn: Wir sind in den letzten Jahren vor Ort mit globalen Entwicklungen konfrontiert worden, worüber kulturelle Identität oder beispielsweise das soziale Miteinander, für viele infrage gestellt wurden. In diesem Zusammenhang kamen viele berechtigte Fragen auf. Kann die Integration gelingen? Werden wir überfordert? Können wir uns das leisten? Wie sind die anderen drauf? Ist deren Kultur mit unserer vereinbar? Und so weiter. Und natürlich gibt es auch eine Reihe von Beispielen, die alles insgesamt infrage zu stellen scheinen, wie die Kölner Silvesternacht.
Solche Fragen wurden instrumentalisiert und in rassistische und fremdenfeindliche Diskurse übersetzt. Die Medien, und auch die hier vor Ort, ließen ab und an die kritische Distanz vermissen und multiplizierten nicht selten, statt einzuordnen. Im besonderen Maße haben hier auch die so genannten sozialen Medien eine wichtige Rolle. Es ist allgemein bekannt, dass Rechtsradikale vorrangig über das Internet mobilisieren. Und es ist deshalb auch kein Zufall, dass ein Administrator einer großen Waltroper Gruppe die Brocken geschmissen hat, weil er sein Forum von Rechtsextremen unterwandert sah.
Was heißt das? Die AfD ist kein soziales Phänomen. Sie hat für die zentralen Fragen unserer Zukunft keine Antworten und rekrutiert vornehmlich aus den Unsicherheiten, die sich aus den aktuellen Krisensituationen ergeben. Die werden auch zukünftig nicht weniger. Das, was wir an Integrationsarbeit leisten, ist deshalb keine vorübergehende sondern eine Jahrhundertaufgabe, weil Konflikte und Krisensituation zunehmen werden. Das, was wir als Flüchtlingshilfe ehrenamtlich leisten, muss mehr und mehr strategische Kommunalarbeit werden.
In Waltrop haben 1.906 Menschen mit ihrer Zweitstimme für die AfD votiert. Immer noch 56 für die NPD. Bei einer hohen Wahlbeteiligung von beachtlichen 77,2 Prozent. Die relativen Stimmenanteile in einzelnen Stimmbezirken mit bis zu 15,0 Prozent für die Rechtspopulisten sind hoch, korrespondieren allerdings mit der hohen Briefwahlbeteiligung, worüber Verzerrungen auftreten. Auch das soll keine Relativierung sein. Es gibt in Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern auch, ein Potenzial für rechtsextremes Gedankengut. Aber, hier in Waltrop konnten sie 21.354 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Hetzte nicht überzeugen. Die stimmten für andere, demokratische Parteien oder sahen auch in der AfD keine Alternative. Das ist die Mehrheit. Und zwar eine sehr große. Bauen wir darauf auf.