Für den 07. September hatte die Flüchtlingshilfe die politischen Repräsentanten der demokratischen Parteien und BM-Kandidat*innen unserer Stadt in die Stadthalle eingeladen, um kritisch darüber zu diskutieren, wie Migration und Integration in Waltrop gestaltet werden, und was daran gut, bzw. nicht so gut läuft, und ausbaufähig ist.
Und wie war es? Insgesamt erfreulicher, erkenntnisreicher, überraschender und schmackhafter als erwartet.
Schmackhafter? Jo, weil Dagmar Uzoh, Diakonin der evangelischen Kirche, für alle auf dem Podium Apfelmus aus echten Waltroper Äpfeln mit einem Schuss Zimt(!) kredenzt hatte, der den Praxistest über aus erfolgreich bestand. Besten Dank!
Erfreulich war, dass mehr Zuschauer*innen kamen, als erwartet. Und überraschend, dass manche gar nicht vorbereitet waren, obwohl wir ihnen ausreichend Vorbereitungsstoff zur Verfügung gestellt hatten. Claus Volke, parteiloser BM-Kandidat, zum Beispiel, hatte eigentlich nichts zur Diskussion beizutragen. Bei unserer Quizfrage zu Beginn der Veranstaltung lag er meilenweit daneben, und bei seiner Begründung zum Schluss, warum man ihn wählen soll, kam nichts zu unserem Anliegen rüber. Dazwischen: beredsames Schweigen.
Die Vertreter der Linken, Thomas Spychalla und Pierre Rode, sicherten uns ihre uneingeschränkte Solidarität zu, verblieben aber eher im Allgemeinen als im Konkreten. Melanie Heiber, BM-Kandidatin der FDP betonte, dass sie zu Beginn des Flüchtlingssommers 2015 in der Flüchtlingshilfe aktiv war, und echauffierte sich sehr darüber, dass ich ihrer Partei vorhielt, sich mehr Gedanken darüber zu machen, wie man bei Flüchtlingen sparen könne, als wie man sie in die Arbeitsprozesse integrieren kann. Na ja, wer da die aktuelle Kampagne aus ihrer Fraktion zur Bezahlkarte kennt, und sich an so manche Äußerung in den sozialen Medien erinnert, bspw. die provokante Verleumdung vom Einwandern in die Sozialsysteme, wird mir recht geben.
Bernd Mennemeier von der CDU und aktiv bei den Christlich Demokratischen Arbeitnehmern (CDA) war uns sehr dankbar dafür, dass wir das Thema Arbeitsmarktintegration angesprochen haben und fand auch, dass hier mehr getan werden müsse. Die Grünen hatten Beate Stach allein in den Ring geschickt, und sie verwies gleich darauf, dass in der Flüchtlingshilfe viele von den Grünen mitwirken würden. Tatsächlich kandidieren einige aus unseren Zusammenhängen auf den Listen von SPD und Grüne in verschiedenen Wahlbezirken für den Rat. Ko-Moderatorin, Dagmar Uzoh, rückte das dann allerdings etwas zurecht, auch von anderen Parteien sind etliche in der Flüchtlingshilfe aktiv. Man muss allerdings anerkennen, dass allein im Wahlprogramm der Grünen konkret auf Flucht und Migration in Waltrop Bezug genommen wird. Wenn auch aus unserer Sicht unzureichend, so blenden die Grünen z. B. unsere Forderung nach einem Integrationsbeirat aus.
Schade war, dass sich unser Bürgermeister Marcel Mittelbach mehr auf die Verwaltungssicht konzentrierte. Natürlich erfordern Integrationskurse, eine aktive Integrationsbeauftragte sowie die inhaltliche Umsetzung der Mitgliedschaft in der Städtekoalition gegen Rassismus, zunächst einmal monetären Aufwand und ein Mehr an Personalstunden. Was aber über den Mehrwert aus (Arbeits-) Integration, dem Abbau von kommunikativen Reibungsverlusten und durch die Reduktion vom Aufwand durch rechtsextremistische Störungen, mehr als kompensiert werden würde. Man zäumt hier das Pferd von hinten auf.
Erfreulich war allerdings seine Ankündigung, in der nächsten Legislaturperiode, die Stunden für die Integrationsbeauftrage zu erhöhen und eine halbe Stelle schaffen zu wollen. Und statt einen Integrationsbeirat zu konstituieren, schlug er vor, einen Arbeitskreis, angeknüpft am Ausschuss für Jugend und Soziales, zu bilden. Das wäre schon mal was. Wir werden ihn daran erinnern.
Als Resümee kann man darüber hinaus festhalten, dass es uns gelungen ist innerhalb des demokratischen Spektrums, die Sensibilität für unsere Anliegen zu erhöhen. Das war unsere Absicht. Natürlich haben wir jetzt niemanden von der Straße oder sonst wo davon abgehalten, seine oder ihre Stimme den Verfassungsfeinden geben zu wollen. Aber wenn die Demokrat*innen zukünftig etwas mehr zusammenrücken und (noch) offener für die Fragen um Migration und Integration werden, wäre schon viel erreicht.

Es kann nämlich auf Dauer nicht funktionieren, die öffentlichen Aufgaben auf die Zivilgesellschaft abzuwälzen. Die Flüchtlingshilfe Waltrop existiert nun seit fast 10 Jahren. Ihre Vorläufer sind zwar schon etwas älter, aber in der jetzigen konstituierten Fassung arbeitet sie seit Januar 2016.
Wir beraten Neu-Ankommende, begleiten bei Behördengängen oder Arztbesuchen, helfen bei der Wohnungs- oder Arbeitsplatzsuche, erklären die Fallstricke von Mobilfunk- und Energieverträgen, führen eine Kleiderkammer die allen notleidenden Waltroper*innen offensteht, organisieren soziale Treffpunkte, unterstützen mit Kleinkrediten, unterstützen die Selbstorganisation hier lebender Geflüchteter, vermitteln Möbel und Fahrräder, führen Sprachkurse durch, organisieren Infoveranstaltungen und Feste, versuchen in der Öffentlichkeit differenzierte Bilder von Migration zu vermitteln, haben mit vielen hier nun heimisch gewordenen Menschen Freundschaften geschlossen, geholfen, sie ins Leben hier zu integrieren und viele von ihnen bis zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft und darüber hinaus begleitet bzw. begleiten sie noch auf ihrem Weg hier anzukommen.
Eine im Prinzip unbezahlbare Leistung. Würde man sie quantifizieren wollen, käme da sicherlich jährlich ein sechsstelliger Betrag heraus, mit dem wir unsere Stadt, unsere Verwaltung, in ihren Aufgaben entlasten. Über zehn Jahre gesehen gar siebenstellig. Und das muss man festhalten, das kommt letztendlich allen Bürgerinnen und Bürgern unser Stadt zu Gute, weil diese hierdurch eingesparten Gelder, für andere Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Nun ist das allerdings nicht nur so, dass die Fördertöpfe von Komm An und Demokratie leben! weggebrochen sind, die etwa 70 bis 80 Prozent der Einnahmen der Flüchtlingshilfe ausmachten. Die wachsenden Aufgaben durch den Zuzug von neuen Mitbürger*innen lassen sich nicht mehr nur allein ehrenamtlich schultern.
So war am Sonntag deshalb ein Thema, wie die Arbeit im Kontext von Migration und Integration unterstützt werden kann, beispielsweise durch hauptamtlich tätige Integrationsbeauftragte.
Ein großer Teil der in Waltrop lebenden Menschen hat einen Migrationshintergrund. Allerdings kommen sie öffentlich, politisch, sozial und kulturell kaum vor. Ihre Anliegen werden kaum wahrgenommen. Es fehlen zudem institutionelle kommunikative Strukturen. Ein Integrationsbeirat könnte hier unterstützend wirken.
Die Verwaltung hat ferner keinen Überblick darüber, wie sich die hier neu ankommenden Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren, obwohl solche Daten generierbar wären. Man nimmt sich damit ein Mittel, auf Entwicklungen Einfluss zu nehmen. Damit zusammenhängend lassen sich Defizite bei den Angeboten von Integrationskursen oder der Sprachförderung in den Schulen feststellen. Beratungsangebote für ethnische Ökonomie zum Beispiel, wie sie in anderen Städten durchgeführt werden, um Selbständigkeit und Arbeitsintegration zu fördern, fehlen gänzlich.
Der Ansatz der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten ist in Waltrop vorbildlich. Allerdings konnte man den wachsenden Anforderungen kaum nachkommen. Wohnungspolitik muss zukünftig verstärkt den sozialen Wohnungsbau im Blick haben. Dies durch eine eigene Wohnungsbaugesellschaft zu ermöglichen, wie die SPD es vorschlägt, macht augenscheinlich Sinn.
Der wachsende Zuspruch für eine gesichert rechtsextreme, Rassismus betonende und in Teilen verfassungsfeindliche Partei, ist beängstigend. Das wiederholte öffentliche und demonstrative Ausrufen, dass Waltrop doch bunt sei, reicht offensichtlich nicht aus, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Man muss hier strukturelle Bedingungen schaffen, die alltäglich Wirkung entfalten können. Die inhaltliche Füllung der Mitgliedschaft in der Städtekoalition gegen Rassismus, kann hierfür ein Ansatz sein.
Was bleibt noch zu sagen? Bleibt stabil. Wählt demokratisch!